Procurador – der Prozessvertreter im spanischen Recht

In den meisten EU-Staaten ist das Rechtswesen so organisiert, dass es für einen Strafprozess einen öffentlichen Ankläger (Staatsanwalt) und einen Verteidiger für den Angeklagten gibt, für eine Immobiliengeschäft oder eine Beglaubigung einen Notar, und für alle sonstigen Rechtsfälle einen Anwalt, der eine Prozesspartei vertritt. Und natürlich leitet ein Richter den Prozess und fällt ein Urteil.

So ist das auch in Spanien geregelt. Allerdings gibt es dort zusätzlich die Figur des Procurador. Er ist das typische Beispiel einer Berufsgruppe, die früher einmal eine Existenzberechtigung hatte, die aber heute mit einer veränderten Aufgabenstellung eher ein verzichtbarer Klotz am Bein ist. In Spanien praktizieren derzeit ca. 11.000 Procuradores.

Was macht ein Procurador?

Ein Procurador ist ein ausgebildeter Jurist mit dem Spezialgebiet Prozess-Verfahrensrecht. Bei vielen Rechtsgeschäften, insbesondere, wenn es sich um einen Streitwerte über 2.000 Euro handelt, benötigt ein Prozessteilnehmer nicht nur einen Anwalt, der ihn in der Sache vertritt, sondern auch noch einen Procurador, der dafür sorgen soll, dass die Prozessabläufe im Sinne seines Mandanten optimiert werden. Er sorgt für eine Beschleunigung des Prozessablaufs, überwacht die Prozesskosten, präsentiert Anträge und veröffentlicht Ankündigungen in den offiziellen Gerichtsmedien.

Während Anwälte in Spanien ihr Honorar frei aushandeln, sind die Honorare der Procuradores gesetzlich in einer Prozesskosten-Tabelle geregelt. Bei einem Streitwert von 60 Euro erhält der Procurador 9,64 Euro. Bei einem Streitwert von 600.000 Euro oder mehr, sind es 1.540 Euro. Der Procurador wird nicht vom Prozessbeteiligten beauftragt, sondern von seinem Anwalt.

Die Notwendigkeit für den Job des Procuradors hat der EU Kommission nicht eingeleuchtet. Die EU-Kommission findet, dass die zusätzliche Rolle des Procuradors den Prozess nur unnötig verteuert und verkompliziert. Sie hat deshalb im Jahr 2016 ein Verfahren (Europilot) gegen Spanien angestrengt. Im Jahr 2018 genehmigte die EU-Kommission allerdings die Weiterarbeit des spanischen Procuradors, nachdem Spanien in einem anderen Rechtsgebiet, nämlich im Gesellschaftsrecht, Reformen durchgeführt hat. Also ein typischer Kuhhandel!

Warum gibt es an Spaniens Gerichten überhaupt einen Procurador?

Bis zur spanischen Verfassung von 1812 arbeiteten »Procuradores de Cortes« als Repräsentanten der drei Stände des Volkes gegenüber dem Hochadel. Nach Inkrafttreten der liberalen Verfassung verschwanden sie und wurden durch Abgeordnete des spanischen Parlaments ersetzt, dem Congreso de los Deputados.

Allerdings hat General Franco die Rolle des Procuradors wieder eingeführt als Symbol dafür, dass er mit der liberalen politischen Tradition brechen wollte. 1978 verschwand der Procurador im Sinne von »Abgeordneter« wieder aus der spanischen Verfassung, außer in Kastilien und León sowie Álava. Im Jahr 2003 wurde er mit dem königlichen Dekret 1373/2003 als Prozessbevollmächtigter in die spanische Prozess-Ordnung eingefügt.

Verfasst am 19. Juli 2022
Anzeige

Kommentare

Neuen Kommentar schreiben
Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten findest du in unserer Datenschutzerklärung.
Booking.com
Anzeige
Andalusien Reiseführer

Andalusien Reiseführer

13 Städte, 15 weiße Dörfer, 9 Natur-Highlights, 4 Küsten, 4 Routen und jede Menge echte Geheimtipps – das alles findest du im großartigen Andalusien Reiseführer von Sara und Marco, den beiden Gründern von Love and Compass.

» Mehr Informationen