Migration in Spanien

Bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts war Spanien ein Auswandererland. Daran erinnert z.B. noch die Avenida de Knittlingen im andalusischen Bergdorf Montejaque. Viele Einwohner sind damals in die schwäbische Kleinstadt Knittlingen ausgewandert, um dort Arbeit zu finden.

Dann drehte sich der Trend um. Erst kamen die europäischen Touristen und ließen Dörfer wie Torremolinos und Marbella aufblühen. Ihnen schlossen sich reiche Ölscheichs aus den Golfstaaten an. Dann reisten im Rahmen der EU-Integration osteuropäischer Staaten vor allem Migranten aus Rumänien ein, vermutlich wegen der lateinischen Wurzeln ihrer Sprache und wegen der andalusischen Subkultur der Gitanos.

Migration nach Spanien: Armutsflucht aus Afrika, Südamerika und Asien

Seit ca. 1900 darauf wuchs die schwarzafrikanische Bevölkerung Spaniens von nahezu null auf über 400.000 Menschen an. Anfang 2016 wurde die erste Abgeordnete mit schwarzafrikanischen Wurzeln im spanischen Zentralparlament gesichtet. Sie war von der Bürgerschreckpartei Podemos aufgestellt worden. Mittlerweile ist die Meerenge von Gibraltar für afrikanische Bootsflüchtlinge nahezu verschlossen. Die beiden spanischen Enklaven in Marokko, Ceuta und Melilla, sind von acht Meter hohen Zäunen umgeben, sodass hier kaum noch jemand durchkommt.

Man schätzt, dass sich eine halbe Million Ausländer illegal in Spanien aufhalten, darunter weniger als 20% Afrikaner. Die meisten Afrikaner aus den Staaten des ehemaligen französischen Westafrika und belgischen Kongo ziehen weiter nach Frankreich und Belgien. Die Lateinamerikaner mit ihrer spanischen Kultur und Sprache hingegen tauchen in Spanien unter.

Wegen der Sperrung der Balkanroute und weil Italien keine Flüchtlinge mehr an Land lässt, nimmt der Zustrom afrikanischer Flüchtlinge nach Spanien im westlichen Mittelmeer und auf den Kanaren immer mehr zu. Allein am zweiten Septemberwochenende 2024 erreichten 3 Boote mit insgesamt 448 Flüchtlingen die kanarischen Inseln La Gomera und Gran Canaria.

Ein Ergebnis dieser anhaltenden Einwanderung war der erstmalige Einzug der rechtspopulistischen Partei VOX ins andalusische Parlament und kurz danach in die Cortes (das spanische Parlament).

Im Jahr 2023 waren 4.865 der Bootsflüchtlinge unbegleitete Kinder und Jugendliche, darunter nur 5% Mädchen. Die Flüchtlinge wissen, dass Minderjährige nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Daher lügen sie oft über ihr wahres Alter. In 7.422 Fällen gab es Gründe, das wahre Alter zu ermitteln. Darunter waren 2.436 älter als 18 Jahre. 3.231 waren vermutlich minderjährig und bei 1.755 konnte das Alter nicht ermittelt werden, weil diese Menschen das Aufnahmezentrum bereits verlassen hatten.

Im ersten Halbjahr 2024 kamen 28.000 afrikanische Bootsflüchtlinge in Spanien an. Zwar gibt es mit Staaten wie Mauretanien, Marokko und Gambia Abkommen, um Flüchtlingsboote am Ablegen zu hindern, jedoch nimmt kaum ein Staat in Spanien abgelehnte Asylbewerber zurück. Spanien hat mit 12,4% die geringste Anerkennungsquote von Asylsuchenden in der EU. In Deutschland beträgt die Anerkennungsquote 52,3%, der Durchschnitt aller EU-Staaten kommt auf 41,6%.

Von 64.260 abgelehnten Asylbewerbern konnte Spanien 2023 gerade einmal 5.995 in ihre Heimatländer abschieben, die meisten davon nach Lateinamerika. Von dort kamen 2023 auch die meisten der 162.000 Antragsteller, vor allem aus Venezuela, Peru und Kolumbien. Sie kommen nicht per Boot, sondern mit dem Flugzeug auf dem Flughafen Madrid an, wo sie angeblich in ein Flugzeug in ein anderes Land umsteigen wollen. Stattdessen stellen sie am Flughafen einen Asylantrag.

2023 schafften es 6.600 Bootsflüchtlinge nicht nach Spanien und ertranken. Daraus ist eine perfide Geschäftsidee entstanden: Den afrikanischen Familien, die einen Angehörigen vermissen, der sich auf die riskante Bootsreise begeben hat, bieten Betrüger im Internet gegen Vorauszahlung von 200 Euro an, Ihnen Auskunft zu geben, ob und wo der Vermisste lebt bzw. ob er bei der Überfahrt ertrunken ist. Die Betrüger behaupten, sie würden mit der Nichtregierungsorganisation CIPIMD (Centro Internacional para la Identificación de Migrantes Disparecidos) in Málaga zusammenarbeiten. Die spanische Polizei hat 14 dieser Betrüger verhaftet.

Zudem blüht der Menschenhandel. Nicht mehr so sehr aus Marokko, aber umso mehr aus Süd- und Mittelamerika und der Karibik sowie aus Russland, China und Thailand werden Menschen ins Land geschmuggelt. Die Lateinamerikaner können wegen ihrer spanischen Wurzeln unauffällig in der spanischen Bevölkerung untertauchen, während die anderen Ethnien an der Küste zwischen den vielen Touristen kaum auffallen.

Waren 1980 noch nahezu 100 Prozent der Prostituierten in Andalusien Spanierinnen, sind es heute nur noch 10 Prozent. Mit falschen Versprechungen nach Spanien eingeschleuste Frauen werden in die Prostitution gezwungen. Mit Menschenhandel verdient das organisierte Verbrechen so viel Geld wie mit Drogen. In honorigen bürgerlichen Zeitungen wie der in Málaga erscheinenden Tageszeitung »Sur« kann der Interessent jeden Tag unter Hunderten von ausländischen Liebesdienerinnen in der Rubrik »Relax« auswählen. Kleine private Bordelle findet man entlang der Küstenstraße A-7 genauso wie in den Bergen im Hinterland. Teure Sexclubs befinden sich auf luxuriösen Fincas im Raum Marbella. Der eigentlich verbotene Straßenstrich und einige Großbordelle ballen sich im Industriegebiet von Málaga im Mündungsgebiet des Flusses Guadalhorce.

Auf den Obst- und Gemüseplantagen schuften Tausende von Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis unter erbärmlichen Umständen. Auf den Strandpromenaden der Urlaubszentren entwickeln sich die Hundertschaften von afrikanischen Souvenirverkäufern mit ihren Handtaschen-Imitationen und Uhrenplagiaten zu einer Landplage. Vereinzelt werden sie von der Polizei verscheucht, stehen aber nach wenigen Minuten wieder an gleicher Stelle. Ob die Polizei hier an Schutzgeld mitverdient, kann nicht bewiesen werden.

Die Situation in Andalusien

Ende 2023 waren in Andalusien offiziell 813.700 Bürger mit einem ausländischen Pass gemeldet, davon 40% in der Provinz Málaga. Die Anzahl der in Andalusien lebenden Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere ist unbekannt. Zwischen 2017 und 2024 sind 230.000 Ausländer in Andalusien legal eingewandert, wovon 100.000 einer Arbeit nachgehen. In diesen Zahlen nicht enthalten sind die Ausländer, die in diesem Zeitraum bereits eingebürgert wurden.

9% der in Andalusien gemeldeten Ausländer kommen aus Rumänien, 2,2% aus Deutschland und 16% aus der übrigen EU, 11% aus Großbritannien, 7% aus anderen europäischen Staaten, 21% aus Marokko, 7% aus dem restlichen Afrika, 21% aus Lateinamerika, 5% aus Asien und 1,5% aus Nordamerika. 59.800 Ausländer leben in der Stadt Málaga, gefolgt von Sevilla (47.750), Marbella (46.100) und Fuengirola (32.000). In Benahavís beträgt der Ausländeranteil 62%, weil dort viele Nicht-EU-Ausländer, die um eine offizielle Anmeldung nicht herumkommen, eine Villa besitzen.

Ca. 230.000 aller in Andalusien ansässigen Ausländer gehen einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Von den fast 100.000 ausländischen Arbeitnehmern in der Provinz Málaga sind 16.400 Kellner, 6.700 Reinigungskräfte, 6.600 Landarbeiter, 6.250 Küchenhelfer, 4.900 Köche, 5.100 Mitarbeiter im Einzelhandel, 6.600 Bauarbeiter, 2.500 Fahrer von Taxis und Lieferwagen. Ca. 50% dieser Arbeitskräfte arbeiten in den Städten Málaga und Marbella.

Spanien benötigt Zuwanderung

Bis zum Jahr 2053 benötigt Spanien 24 Millionen Zuwanderer, um das Rentensystem bezahlbar zu halten, warnt die spanische Zentralbank in ihrem Jahresbericht 2023. Denn auch in Spanien schlägt der demografische Wandel voll zu, ausgelöst durch immer geringere Geburtenraten bei steigender Lebenserwartung.

Der derzeitige Anteil der Rentenbeiträge von 13,1% am Bruttosozialprodukt lässt sich voraussichtlich bereits 2025 ohne Zuwanderung nicht mehr halten. Gemäß einem neuen Gesetz zur Rentenentwicklung müsste die spanische Regierung bereits intervenieren, sobald der Anteil der Rentenbeiträge 13,3% übersteigt.

50% aller in Spanien lebenden Ausländer kommen aus Lateinamerika, 22% aus der EU, 8% aus dem restlichen Europa, 13% aus Afrika und 7% aus Asien. Die meisten Ausländer leben in Barcelona, Madrid, Valencia und Andalusien, davon sind 1⁄3 EU-Bürger. Mit 31% haben die Balearen den höchsten Ausländeranteil.

In Andalusien findet man mit 26% den größten Ausländeranteil in Almería. In absoluten Zahlen sind es nur 156.000 Ausländer, davon ein Viertel EU-Bürger. Die drei Viertel Nicht-EU-Ausländer arbeiten dort vor allem in der Landwirtschaft. Die meisten Ausländer leben mit 273.000 in der Provinz Málaga, das sind 16% der Bevölkerung der Provinz, davon ein Drittel EU-Bürger.

40% der 557.000 neuen Jobs im ersten Halbjahr 2024 ging an ausländische Arbeitnehmer, wobei der Ausländeranteil an der spanischen Gesamtbevölkerung nur 20% beträgt. Während die Anzahl der spanischen Beschäftigten in diesem Zeitraum nur um 2% zunahm, betrug die Zunahme ausländischer Beschäftigter 9%. 75% der neuen Jobs gingen an Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Mitte 2024 hatten 3 von 21 Millionen Arbeitnehmern einen ausländischen Pass. 2014 waren es noch 1,5 Millionen. Die Partei VOX behauptet daher, »die Ausländer nehmen uns Spaniern die Arbeitsplätze weg«.

107.500 neue Jobs entstanden im Tourismus, nur 18.500 im Bausektor. Insgesamt sind im Tourismus 21% Ausländer beschäftigt, im Handel 16% und in der Bauindustrie 11%. Allerdings gehen die besser bezahlten Jobs an Spanier. Spanische Männer verdienen im Jahr im Schnitt 26.500 Euro, ausländische Männer 17.000 Euro. Spanische Frauen erhalten 21.000 Euro, ausländische Frauen 13.500 Euro.

Die im ersten Halbjahr 2024 neu hinzugekommenen ausländischen Arbeitnehmer verteilen sich auf 38.000 Kolumbianer, 23.000 Italiener, 21.500 Marokkaner, 17.000 Rumänen, 13.000 Venezolaner, je 8.500 Argentinier und Senegalesen sowie 5.500 Ukrainer. Im Juni 2024 arbeiteten in Spanien insgesamt 350.000 Rumänen, 345.000 Marokkaner, 214.000 Kolumbianer, 199.000 Italiener und 162.000 Venezolaner.

Die Einwanderungspolitik die Nation in gleichem Maße wie in den meisten anderen europäischen Staaten. Die vergleichsweise läppische Zustimmung des oppositionellen PP zur Entscheidung der Regierung Sánchez, 347 unbegleiteten Flüchtlingskindern in Spanien Asyl zu gewähren und diese auch anteilig den autonomen Regionen zuzuteilen, die vom PP regiert werden, bewog die Parteiführung von VOX, ihre Koalitionen mit dem PP in allen autonomen Regionen infrage zu stellen, in denen PP und VOX gemeinsam regieren.

Gemäß einer Umfrage von Anfang September 2024 ist für die spanischen Wähler, ähnlich wie in den meisten EU-Staaten, die ungeregelte Migration das wichtigste politische Thema. Drei Monate vorher war es noch das neunt wichtigste Problem. Wenn gefragt wurde, inwieweit die befragten Personen von der ausufernden Migration persönlich betroffen seien, dann war Migration nur das fünftwichtigste Problem. Wichtiger waren dann die wirtschaftliche Lage, das Gesundheitssystem, die Arbeitslosigkeit und die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Entgegen den Behauptungen von VOX-Parteichef Abascal, ist der Anteil ausländischer Delinquenten an der Gesamtzahl der Straftäter gesunken. 1998 betrug der Ausländeranteil der Gefängnisinsassen in Spanien 18%, bei einem Ausländeranteil von 1,6% an der Gesamtbevölkerung. 2023 waren 31% der Gefängnisinsassen Ausländer, bei einem Ausländeranteil von 13% an der Bevölkerung Spaniens. Darunter 5.200 Marokkaner, 1.600 Kolumbianer, 1.300 Rumänen, 1.200 Algerier, 600 Ecuadorianer sowie je 270 aus Portugal und Italien.

Im Jahr 2024 wird Spanien Frankreich als das Land mit den meisten ausländischen Touristen überflügeln. Dies führt in den touristischen Ballungsgebieten Spaniens bereits zu Protesten der lokalen Bevölkerung, da Wohnungen in den touristisch relevanten Innenstadtbereichen für die Einheimischen nicht mehr bezahlbar sind. Ob diese Protestbewegung zusammen mit der Ablehnung der Armutsmigration insgesamt zu einer ausländerfeindlicheren Einstellung der Spanier führt, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

Inzwischen tut die spanische Regierung alles, um Touristen den Aufenthalt in Spanien zu vermiesen. Am 1. Oktober 2024 tritt ein königlicher Erlass vom Oktober 2021 in Kraft, der jedes Reisebüro, jede Autovermietung und jeden Anbieter von Touristenunterkünften verpflichtet, folgende Daten von seinen Gästen zu erfragen, und die Antworten in einer zentralen Datenbank der Regierung zu speichern:

  • Anzahl der Personen einer Reisegruppe (z.B. einer Familie)
  • Für jedes Gruppenmitglied separat (auch für Kinder):
    • Vor- und Zuname
    • Geburtsdatum
    • Geschlecht
    • Nationalität
    • Adresse im Heimatland
    • Festnetz- und Mobiltelefonnummern
    • E-Mail-Adresse
    • Nummer des Bankkontos und Name des Kontoinhabers
    • Pass/ID-Karte, Führerschein.

Der Vermieter muss zusätzlich notieren:

  • Anzahl der gemieteten Zimmer und ob die Personen das Internet benutzt haben sowie das Datum der Ankunft und der Abreise.

Die Datenerhebung ist unabhängig von der Dauer der Anmietung. Anbieter von touristischen Leistungen haben erfolglos gegen den Mehraufwand protestiert. Reisebüros haben bemängelt, dass ihnen durch die Datenerfassung doppelter Aufwand entsteht, weil sie bereits über die meisten dieser Daten verfügen, wenn jemand bei ihnen eine Reise bucht. Der spanische Innenminister Grande-Marlaska begründet die neue Maßnahme mit der Sicherheitsgefahr durch Terroristen und kriminelle Banden. Auch die spanische Datenschutzbehörde hat keine Einwände.

Von Wolfgang Zöllner

Zuletzt aktualisiert am 2. Oktober 2024

Verfasst am 22. August 2024
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