Amancio Ortega
Amancio Ortega – der Gründer von Zara und reichster Mann Spaniens
Für die eine Hälfte der Spanier ist Amancio Ortega der barmherzige Superheld, der den spanischen Krankenhäusern auf dem Höhepunkt der Corona-Epidemie medizinische Ausrüstung im Wert von 69 Millionen Euro gespendet hat. Während die spanische Regierung einer Fehllieferung von 350.000 Masken aus China aufgesessen war, flog Ortega 3 Millionen brauchbare Masken und 1.450 Beatmungsgeräte aus China ein.
Deshalb traten zu seinem 84. Geburtstag am 28. März 2020 Tausende Menschen in ganz Spanien vor ihre Häuser, um ihm zu applaudieren. Vor seinem Haus in La Coruña erwiesen ihm ein Dutzend Rettungswagen mit Lichthupen und Sirenen die Ehre.
Die rechtspopulistische Partei VOX forderte im Parlament, Amancio Ortega solle der nationale Verdienstorden für Unternehmer verliehen werden. Eine Online-Petition fordert gar den Friedenspreis »Princesa de Asturias de la Concordia«.
Die andere Hälfte der Spanier findet sein Privatvermögen von über 60 Milliarden Euro obszön. Sie hielten es für besser, wenn Ortega das öffentliche Gesundheitswesen mit ordentlichen Steuerzahlungen vor dem Kollaps bewahren würde, anstelle des lächerlichen Almosens von 69 Millionen Euro. Es wäre so, als würde unsereins 30.000 Euro auf dem Bankkonto liegen haben und davon 35 Euro für einen mildtätigen Zweck spenden.
Nicht gut kam in der Öffentlichkeit an, dass Ortega 25.000 Mitarbeiter in die Kurzarbeit schickte. Allein im März 2020 war der Umsatz in seinen Läden um 24% eingebrochen. Als in Frankreich am 11. Mai 2020 der Lockdown gelockert wurde und die Menschen erstmals wieder shoppen durften, bildeten sich lange Schlangen vor den Zara-Läden, die hässliche Kommentare in den sozialen Netzwerken nach sich zogen.
Zu Ortegas härtesten Kritikern gehört Pablo Iglesias, der stellvertretende spanische Ministerpräsident und Parteichef der linken Partei Podemos. Er unterstellt Ortega Steuervermeidung und Ausbeutung von Textilarbeitern in armen asiatischen Staaten. Iglesias sagt zu Ortegas Spende: »Spanien ist weder eine Bananenrepublik noch eine Diktatur, die von einem alten Dödel abhängt«.
Die politischen Gegner von Iglesias wiederum machen sich einen Spaß daraus, ihm und seiner Familie nachzuweisen, dass sie privat jede Menge modische Klamotten von Zara und Stradivarius tragen.
Inditex – das Firmenimperium von Amancio Ortega
Amancio Ortega gebietet über ein verschachteltes Handelsimperium, zu dem neben Zara die Modelabels Stradivarius, Pull & Bear, Bershka, Massimo Dutti, die Unterwäsche-Firma Oysho, der Wohnungsausstatter Zara Home und die Behindertenwerkstatt Uterqüe gehören.
Das Konglomerat ist an der Madrider Börse unter dem Firmennamen Inditex (Industria de Diseño Textil S.A.)gelistet und ist der größte Textilhändler der Welt, noch vor der amerikanischen GAP und der schwedischen H&M.
Auf Zara und Zara Home entfallen 70% des Umsatzes von Inditex, auf Bershka 8%, auf die übrigen Marken 22%. In Spanien werden 18% der Waren verkauft, im restlichen Europa 47% in Amerika 15% und im Rest der Welt 20%.
Die Bilanz aus dem Jahr 2018 weist einen Umsatz von 28,3 Milliarden Euro und einen Netto-Gewinn von 3,6 Milliarden Euro aus. Bei einem Aktienkurs von 22,37 Euro war Inditex im Mai 2020 an der Börse 70,78 Milliarden Euro wert und hat damit bereits ein Drittel seines Börsenwertes von 2018 eingebüßt. Anfang Januar 2022, nach zwei Jahren Corona-Pandemie hatte er sich aber schon wieder auf 88 Milliarden Euro erholt.
Jährlich werden 1,6 Milliarden Euro in die Verbesserung der Geschäftstätigkeit investiert. Weltweit betreibt Inditex in 92 Ländern 7.400 Shops in den besten Innenstadtlagen. Ob dieses Geschäftsmodell die Corona-Krise überlebt, war lange Zeit offen. Erst 12% des Umsatzes wurden im Jahr 2020 im Online-Handel erzielt. Ende 2021 waren es bereits 25%. Obwohl die Anzahl der Läden um 11% reduziert wurde, sind auch die Ladenumsätze gewachsen. Im Vergleich zu 2019 legte der Gewinn sogar um 6% zu.
Während in Deutschland die Kaufhauskette Galeria dahinsiecht, hat Inditex im Jahr 2022 – also während des Kriegs in der Ukraine – unter der Leitung ihres Vorstandsvorsitzenden Oscar Garcia Maceiras den Gewinn um 27% auf 4,1 Milliarden Euro gesteigert. Der Umsatz wuchs um 18% auf 32,6 Milliarden Euro. Das gelang, obwohl Inditex im Jahr 2022 weltweit 1.000 Läden geschlossen hat, darunter alle 514 Läden in Russland. Inflationsbedingt konnte Inditex einen Preisanstieg um 5% durchsetzen. Inditex steht so gut dar, weil ihr Internet-Auftritt mit dem Ladengeschäft harmoniert, woran Galeria Kaufhof Karstadt leider gescheitert ist.
In den sozialen Medien hat Inditex 150 Millionen Follower.
Der Firmensitz liegt in Arteixo bei La Coruña in Galizien.
Im Jahr 2011 hat sich Amancio Ortega aus der operativen Führung des Konzerns zurückgezogen. Vorstandsvorsitzender von Inditex ist jetzt Pablo Isla Alvarez de Tejera.
2018 wurde pro Aktie eine Dividende von 0,88 Euro ausbezahlt. Amancio Ortega besitzt 59,29% der 3,117 Milliarden Aktien von Inditex. Weitere 5,05% gehören seiner Tochter Mera Sandra Ortega. 2020 fiel die Dividende wegen der Corona-Krise aus.
Die Ortegas haben allein im Jahr 2018 eine Dividende von 1,777 Milliarden Euro eingestrichen. Diese Einnahmen investiert Ortega vor allem in Immobilien. Seiner Investmentfirma Pontegadea gehören in der ganzen Welt Gewerbeimmobilien im Wert von 10 Milliarden Euro. Darunter zwei Bürogebäude in Seattle, die an Amazon vermietet sind.
Zahlen und Fakten zu Inditex
Weltweit beschäftigt Inditex 176.000 Mitarbeiter, die meisten davon sind Frauen. Inditex beschäftigt 700 Modedesigner. 2012 hatte Inditex weltweit 1.434 Zulieferer. Jährlich werden von Inditex 1,5 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt. Die Hälfte aller Produkte, die Inditex vertreibt, werden in Spanien, Portugal und Marokko produziert. Weitere 15% stammen aus anderen europäischen Ländern, vor allem aus der Türkei. 35% werden vorzugsweise in Südamerika und Asien, vor allem in Bangladesch, produziert.
In Spanien erzeugen 55.000 Mitarbeiter von Inditex und von 7.500 vorwiegend kleinen Familienfirmen einen Umsatz von 5 Milliarden Euro. In Spanien zahlte Inditex im Jahr 2018 Steuern in Höhe von 1,7 Milliarden Euro, weltweit waren es 6,2 Milliarden Euro.
Inditex stimmt nach eigenen Angaben seine Geschäftsziele und Werte auf die nachhaltigen Entwicklungsziele ab, welche die Vereinten Nationen in ihrer Agenda für 2030 niedergelegt haben. Inditex soll sich besonders für das Recycling gebrauchter Kleidungsstücke engagieren.
Während der Corona-Pandemie leiden die Textilläden in besonderer Weise, weil sie durch den Lockdown in vielen Ländern gar keine Einnahmen haben. Außerdem wird die gelagerte Frühjahrskollektion wertlos und kann nach der Wiedereröffnung der Läden nicht verkauft werden. Wegen geschlossener Werkstätten und fehlender Materialien kann die Winterkollektion nicht produziert werden.
Viele Textilfirmen bezahlen daher ihre Rechnungen nicht für die bereits gelieferte Mode und ordern mangels Kapital und Kundennachfrage auch keine Sommerkollektion. Das führt in Ländern wie Bangladesch zu Massenarbeitslosigkeit und Bankrott der einheimischen Textilfirmen. Inditex hat immerhin zugesagt, dort die bereits georderte Ware im Wert von 109 Millionen US-Dollar zu bezahlen.
Ortega hat einen behinderten Sohn aus erster Ehe. Ortega gründete daher 1986 die Institution Paideia, die behinderten Kindern und Jugendlichen hilft. Inditex investiert jährlich 20 Millionen Euro in soziale Projekte von Organisationen wie MSF, Caritas, Entreculturas, dem Roten Kreuz und Water.org.
Nach eigenen Angaben profitierten davon 2,4 Millionen Menschen. Im Jahr 2001 wurde die Amancio Ortega Stiftung gegründet, die Forschung, Kultur und Bildung fördert. Z.B. schickt die Stiftung jedes Jahr 500 spanische Studenten zum Studium in die USA.
Das Erfolgsrezept von Zara & Co.
Der weltweite Erfolg von Inditex ist in seiner Fähigkeit begründet, auf neue Modetrends in Rekordzeit zu reagieren und auch kleine Stückzahlen zu erschwinglichen Preisen innerhalb von 48 Stunden über den weltweiten Logistik-Hub in Saragossa auszuliefern. Dazu beigetragen hat der Einsatz von RFID-Chips in den Kleidungsstücken von Inditex, die eine genaue Nachverfolgung der Ware ermöglichen. Zara gehört zu den Modelabels, die den Trend zur billigen Wegwerfmode setzen.
Die Modefirmen von Inditex betreiben kaum Marketing und Werbung. Ortega meint, die Mode müsse für sich selbst sprechen und den Kunden gefallen. Und kostenlose Werbung kommt von spektakulären Aktionen wie der Verteilung von 4.000 modischen Schutzanzügen während der Corona-Pandemie an ein Krankenhaus in Galizien.
Ortega verdonnerte zudem neun seiner elf galizischen Fabriken zur Produktion von Atemschutz-Masken. Das war ein schöner Kontrast zu den Bildern, die am 30. März in der New York Times Krankenhausmitarbeiter in selbst genähten Schutzanzügen aus Müllsäcken zeigten.
Das Modelabel Zara verdankt seinen Namen einem Zufall. Ortega und seine Frau wollten die Firma eigentlich Zorba nennen, nach ihrem Lieblingsfilm »Sorbas der Grieche«. Dann stellte sich heraus, dass eine Bar im gleichen Ort bereits Zorba hieß. Die Lettern für die Ladenzeile waren aber schon beim Setzer. Daher änderten sie den Namen in »Zara«, was weltweit wie Sarah klingt und sich gut merken und aussprechen lässt.
Eine kurze Biografie von Amancio Ortega
Amancio Ortega wurde am 28. März 1936 in Busdongo in der Provinz León als Sohn eines Eisenbahnbediensteten geboren. Mit 13 Jahren brach er die Schule ab, weil sein Vater kein Geld für die Schule hatte und begann seine berufliche Karriere als Laufbursche in einem Bekleidungsgeschäft in La Coruña.
Mit 25 entwarf Ortega mit seiner ersten Frau Rosalia Mera im Wohnzimmer die erste eigene Kollektion »Batas«, eine Mischung aus Hausmantel und Kittelschürze in schrillen Farben.
Im Alter von 37 Jahren gründete er eine Fabrik für Bademäntel und im Jahr 1972 das Textilunternehmen GOA (sein Name rückwärts gelesen). Bald exportierte GOA Kleidung in mehrere europäische Länder. 1975 wurde der erste Zara Laden in La Coruña eröffnet. 1988 folgte die erste Auslandsfiliale im portugiesischen Porto. Heute gibt es weltweit 1.700 Zara-Shops.
1985 gründete Ortega mit seiner ersten Frau Rosalia Mera die Holding Inditex, in der Zara und die Zukäufe zahlreicher Modelabel gebündelt wurden. Nach seiner Scheidung 1986 heiratete er Flora Pérez Marcote, eine Mitarbeiterin von Inditex.
Ortega ist bodenständig und meidet jede Publicity. Er hat noch nie ein Interview gegeben. Sein Motto ist:
»Man muss in seinem Leben nur drei Mal in der Zeitung auftauchen: wenn man geboren wird, wenn man heiratet und wenn man stirbt.«
Er möchte auf der Straße nur von seiner Familie, seinen Freunden und Mitarbeitern erkannt werden und trinkt immer noch seinen Kaffee in dem galizischen Kaff, in dem er aufgewachsen ist, trägt keine Krawatten, aber Jeans.
Seine Leidenschaft gilt dem Pferdesport, Autos und der Malerei. Er besitzt zwei Luxusjachten, eine vor Galizien, eine am Mittelmeer, einen Embraer Firmenjet und ein Reitzentrum von olympischen Ausmaßen für seine 36-jährige Tochter Marta.
Marta Ortega wird Inditex einmal erben und ist in zweiter Ehe mit Carlos Toretta verheiratet. Sie bekam im März 2020 ihre gemeinsame Tochter Matilda. Aus erster Ehe mit dem bekannten Springreiter Sergio Álvarez Moya hat sie außerdem einen achtjährigen Sohn, Amancio Alvarez Ortega. Marta ist eine passionierte Springreiterin und war spanische Juniorenmeisterin.
Marta ist bereits Vizechefin für den Bereich Damenmode. Sie wird im April 2022 den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden von Pablo Isla Álvarez de Tejera übernehmen. Für die Geschäftsführung verantwortlich als CEO (Vorstandsvorsitzender) ist seit November 2021 Oscar Garcia Maceiras, der von der Bank Santander angeheuert wurde, weil die Aktionäre Zweifel haben, ob Marta den Konzern erfolgreich führen kann. Marta muss die Digitalisierung vorantreiben und den Textilkonzern auf Nachhaltigkeit trimmen, damit nicht mehr so viele Kleidungsstücke auf dem Müll landen.
Von Wolfgang Zöllner
Spanien Magazin
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