Die Sowjetunion im Spanischen Bürgerkrieg

Auch die Sowjetunion unter Stalin mischte kräftig mit im Spanischen Bürgerkrieg. Inoffiziell an der Seite der Republikaner kämpfend, konnte sie aber den Sieg von Francos Truppen nicht verhindern. Das lag auch daran, dass man mehr damit beschäftigt war, die eigenen Verbündeten zu verfolgen.
Sowjetunion Spanischer Bürgerkrieg
Hauptquartier der Kommunisten in Barcelona 1936 ( Everett Historical / Shutterstock.com )

Kampf gegen den Faschismus

Als der Spanische Bürgerkrieg im Juli 1936 ausbricht, hat Stalin kein Interesse an einem offiziellen militärischen Eingreifen. Ein Großteil der spanischen Linken neigt den Anarchisten oder Trotzkisten zu, während in Moskau gerade die Schauprozesse gegen Trotzkisten und andere angebliche Abweichler ablaufen. Stalins ehemaliger Kampfgefährte und Gründer der Roten Armee, Leo Trotzki, ist für Stalin genauso ein rotes Tuch wie heutzutage der türkische Prediger Gülen für seinen ehemaligen Weggefährten, den türkischen Staatspräsidenten Erdogan. 1929 emigriert Trotzki ausgerechnet in die Türkei und später nach Mexiko, wo er 1940 von einem stalinistischen Agenten mit einem Eispickel erschlagen wurde. Mexiko ist übrigens nach wenigen Monaten das einzige Land, welches neben der Sowjetunion den spanischen Republikanern offiziell Waffen liefert. Aber so weit ist es im Juli 1936 noch nicht.

Die Arbeitermilizen der P.O.U.M, die 1935 in Katalonien einen Kommunismus etablieren, bei dem tatsächlich alle gleich (arm) sind, ist den Moskauer Stalinisten ein Gräuel. Nach der reinen marxistischen Lehre darf es in einem Agrar-Land wie Spanien, das gerade erst vor fünf Jahren den Feudalismus abgeschüttelt hat, gar keinen Kommunismus geben. Enteignung und Kollektivierung müssten warten. Stattdessen muss als Übergangsstadium erst der Kapitalismus aufblühen und die industriellen Kapazitäten schaffen, so dass eine Arbeiterschaft entsteht, die dann zwangsläufig später die Macht an sich reißt und den Kommunismus einführt. Dieses Dogma nennt man „Historischen Materialismus“.

Merkwürdigerweise hat sich die Sowjetunion bei der Einführung ihres eigenen Kommunismus selbst nie an jenes Drehbuch gehalten.

Die stalinistischen Dogmatiker übersehen dabei, dass Katalonien 1936 die industrielle Kernregion Spaniens darstellt und bereits über eine große, kampferprobte Arbeiterschaft verfügt. Der britische Schriftsteller George Orwell hat in seinem Buch „Mein Katalonien“ die von ihm als befreiend empfundene Atmosphäre der Gleichheit im revolutionären Barcelona anschaulich beschrieben.

Stalin will andererseits nicht, dass in Europa der Faschismus die Oberhand gewinnt. Er ist dabei erpicht darauf, dass sich in Spanien weder ein faschistischer Staat noch eine kommunistische Räterepublik etabliert, sondern eine antifaschistische „Volksdemokratie“ aus links gerichteten und „fortschrittlichen Bürgern. Die Arbeitermilizen sollen mit regulären Armee-Einheiten zu einer „Republikanischen Armee“ verschmolzen werden, damit erst einmal der Krieg gegen die Faschisten gewonnen werden kann. Um diesen Prozess anzustoßen, wird am 27. August der frühere Generalsekretär des Völkerbundes, Marcel Rosenberg, als sowjetischer Botschafter zusammen mit sowjetischen Militärberatern, Geheimpolizisten und Journalisten, unter ihnen Ilja Ehrenburg, nach Spanien geschickt.

Am 9. September 1936 kommt Alexander Orlow, ein General des russischen Geheimdienstes NKWD nach Spanien. Er soll einen Geheimdienst im von den Nationalisten gehaltenen Gebiet aufbauen und innerhalb der republikanischen Truppen Trotzkisten und andere „Linke Abweichler“ aufspüren und eliminieren. Orlow ist sehr „erfolgreich“, zieht es dann aber 1938 vor, statt nach Moskau zurückzukehren, in die USA zu emigrieren.

Die Sowjetunion tritt im September wie 21 andere Staaten, darunter Frankreich, England, Italien und Deutschland, einem „Nichteinmischungskomitee“ bei, welches die Lieferung von Waffen, Soldaten und Freiwilligen an die Bürgerkriegsparteien unterbinden soll. Da aber Deutschland und Italien sich nicht daran halten, sondern massiv „Kriegsfreiwillige“, Flugzeuge und Panzer an die spanischen Nationalisten liefern, fühlt sich auch Stalin nicht mehr an die Verpflichtung zur Nichteinmischung gebunden. Im Oktober 1936 werden sowjetische Kampfflugzeuge und Panzer in Teile zerlegt über den republikanischen Mittelmeer-Hafen Cartagena an die Republikaner ausgeliefert. Die russischen Frachter werden von der spanischen Kriegsmarine eskortiert, die zum großen Teil zu den Republikanern hält. Bereits am 28. Oktober greifen die russischen Kampfflugzeuge in die Kämpfe um Madrid ein. Am 29.Oktober attackieren Panzer der 80. Panzerbrigade unter dem russischen Oberst Simon Kriwoschein (Tarnname: Oberst Mele) die nationalistischen Stellungen bei Madrid. Obwohl die sowjetischen Panzer in Bezug auf Feuerkraft und Panzerung ihrem Gegner überlegen sind, können sie die Faschisten nicht schlagen, weil sie ohne ausreichende Infanterieunterstützung zu schnell in die feindlichen Stellungen vorrücken. Die russischen Panzerbesatzungen haben die ausdrückliche Anweisung, dem Feind nicht lebendig in die Hände zu fallen, da dies ein Beweis für den sowjetischen Verstoß gegen die Nichteinmischungsvereinbarung darstellen würde.

Böse Ironie der Geschichte: Als Folge des späteren Hitler-Stalin Paktes wird Polen im September 1939 zwischen Deutschland und der UdSSR aufgeteilt. Die deutsch-sowjetische Militärparade anlässlich des Sieges über Polen wird am 21. September 1939 in Brest-Litowsk von dem inzwischen aus Spanien zurückgekehrten, zum Brigadegeneral beförderten Russen Kriwoschein und dem deutschen Panzergeneral Guderian gemeinsam abgenommen. Am 29.Mai 1945 wird dem Generalleutnant der sowjetischen Panzertruppe Kriwoschein wegen seines Muts bei der Eroberung Berlins vom Obersten Sowjet der Orden „Held der Sowjetunion verliehen. Kriwoschein stirbt 1978 eines natürlichen Todes

1936 verfügt Spanien über die viertgrößten Goldvorräte der Welt. Stalin lässt sich seine Waffenlieferungen an die Republikaner von der spanischen Zentralbank mit 500 Tonnen Gold bezahlen. Das Geschäft hat der oben erwähnte russische Geheimagent Orlow eingefädelt. Der spanischen Bevölkerung wird vorgegaukelt, das Gold werde nur vor den Faschisten in Sicherheit gebracht und nach dem gewonnen Krieg wieder an Spanien zurückgegeben.

Im Laufe eines Jahres wächst die Moskau hörige Kommunistische Partei Spaniens von 5.000 auf 300.000 Mitglieder an. Die anarchistischen und trotzkistischen Arbeitermilizen werden mit den schlechtesten Waffen ausgestattet und in den Stellungskrieg an der Aragon-Front abgeschoben, während die Moskau treuen Truppen sich mit Panzer- und Luftunterstützung an den Angriffsoperationen gegen die Nationalisten beteiligen dürfen.

Am 18.September beschließt die kommunistische Internationale „Komintern“ auf Betreiben des sowjetischen Diktators Stalin die Aufstellung internationaler Brigaden zur Unterstützung der Republikaner in Spanien. Wenn es genügend Bewerber aus einem Land gibt, werden die Brigaden nach Nationalität zusammengestellt. So gibt es z.B. die amerikanische Lincoln-Brigade und die deutsche Thälmann-Brigade. An der Spitze jeder Brigade steht aber immer ein Stalinist.

Im Mai 1937 fühlen sich die Stalinisten stark genug, die Arbeitermilizen in Barcelona in einen auf diese Stadt begrenzten Bürgerkrieg zu verwickeln, wobei die kommunistische Propaganda es schafft, der Arbeitermiliz der P.O.U.M, der anarchistischen CNT und den Trotzkisten die Schuld am Ausbruch dieser „anarchistischen Unruhen“ in die Schuhe zu schieben. Die linke Presse, vor allem in Großbritannien, verbreitet diese Sichtweise unbesehen auf der ganzen Welt. Britische Kriegsschiffe fahren vor Barcelona auf, um notfalls einzugreifen, falls die „Anarchisten“ die Oberhand gewinnen sollten.

Im Juni marschieren 6.000 Mann der von Stalinisten beherrschten paramilitärischen Einheit Guardia Asulto aus Valencia, der provisorischen Hauptstadt der Republikaner, in Barcelona ein, und es beginnt eine Hexenjagd auf Mitglieder und Anhänger der P.O.U.M. und der CNT.

Das geht so weit, dass wichtige Kommandeure der P.O.U.M Milizen in den stalinistischen Geheimgefängnissen verschwinden und zu Tode kommen, wodurch die republikanische Front gegen die Nationalisten empfindlich geschwächt wird. Die Soldaten der P.O.U.M und der CNT an der Front bekommen von den Säuberungen nichts mit und sind total konsterniert, als sie im Fronturlaub in Barcelona verhaftet werden. George Orwell beschreibt, wie er tagelang in Barcelona auf der Straße lebt und sich nicht in sein Hotel traut. Die Hotelangestellten sind angewiesen, Mitglieder der P.O.U.M und der CNT sowie ihrer Milizen sofort der Geheimpolizei zu melden.

Auch Freiwillige der Internationalen Brigaden werden an allen Fronten von der stalinistischen Geheimpolizei bespitzelt und verhört. Theoretisch steht es jedem Freiwilligen der Internationalen Brigaden frei, jederzeit die Truppe zu verlassen und nach Hause zu gehen. Faktisch werden Deserteure jedoch von der stalinistischen Geheimpolizei verfolgt und liquidiert. In seiner Kurzgeschichte „Hinter der Front“ hat der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway so eine Liquidierung in seiner humorlosen Art geschildert.

In eine besonders niederträchtige Situation geraten viele Spanienkämpfer nach dem Ende des Bürgerkriegs: Als die Internationalen Brigaden Ende 1938 aufgelöst werden, können viele ihrer Mitglieder nicht in ihre Heimatländer zurückkehren, weil sie wegen der Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg ihre Staatsangehörigkeit verloren haben oder zuhause inhaftiert worden wären. Das betrifft vor allem polnische, tschechische, italienische, deutsche und österreichische linke Spanienkämpfer. Diese bedauernswerten Menschen werden 1939 in Frankreich in Internierungslager weggesperrt. Nachdem 1940 Nordfrankreich im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht besetzt worden ist, schwärmen stalinistische Werber aus, um die Spanienkämpfer in den Lagern zu drängen, freiwillig als Arbeitskräfte nach Deutschland zu gehen. Durch den 1939 geschlossenen Hitler-Stalin Pakt sind Deutschland und die Sowjetunion plötzlich Verbündete. Den Internierten wird weis gemacht, die Mitglieder der KPD würden sich in Deutschland um sie kümmern. Sobald die Spanienkämpfer in Deutschland ankommen, werden sie in Konzentrationslager gesteckt.

Einigen Internierten gelingt in Frankreich die Flucht und sie tauchen in der französischen Résistance unter. Wer das französische „Angebot“, nach Deutschland zu gehen, nicht annimmt, wird in das französische Lager Djelfa in der algerischen Sahara weggesperrt, das unter der Kontrolle der deutsch-freundlichen Vichy-Regierung steht. Als die Amerikaner im November 1942 in Algier landen, kümmern sie sich nicht um das Schicksal dieser Spanienkämpfer. Erst 1943 gelingt einigen die abenteuerliche Flucht auf einer 18.000 km langen Strecke über Libyen, Ägypten, Irak und den Iran nach Krasnodar in der UdSSR. Dort landen viele Russlandheimkehrer im Gulag, während einige wenige Karriere machen und in der Partei und Armee der UdSSR hohe Posten bekleiden, wie der oben erwähnte russische Oberst Simon Kriwoschein.

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