30 Jahre nach dem Mauerfall: Gab es eine gemeinsame Geschichte zwischen Spanien und der DDR?
Deutschland feierte am 9. November 2019 den 30-jährigen Gedenktag des Mauerfalls. Dieses Ereignis wurde in der ganzen Welt wohlwollend zur Kenntnis genommen. Gibt es Grund zu der Annahme, dass Spanien und die DDR noch mehr verbindet?
Während die Westdeutschen Spanien als Urlaubsparadies entdeckten und Mallorca zu ihrer Lieblingsinsel machten – und natürlich darüber Ihren Freunden und Verwandten in der DDR berichteten – durften DDR Bürger bestenfalls an Bulgariens Schwarzmeerküste urlauben. Existierten vielleicht abseits vom offenbar nicht vorhandenen Tourismus andere Gemeinsamkeiten zwischen der DDR und Spanien?
Die DDR und Franco
Die erste Verbindung bahnte sich bereits an, als noch niemand ahnen konnte, dass es einmal einen deutschen Teilstaat namens DDR geben würde: Erich Mielke, der letzte Leiter der DDR Staatssicherheitsbehörde ‚Stasi’ verfolgte, verhaftete und liquidierte im Auftrag Stalins während des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939) Sozialisten und Anarchisten, die eigentlich Verbündete der spanischen Kommunisten im Krieg gegen Franco waren. Nach der Wende konnte Mielke weder wegen seiner Taten als Leiter der Stasi noch wegen seiner Rolle in Spanien verurteilt werden, sondern nur dafür, dass er 1931 einen deutschen Polizisten in Berlin ermordet hatte.
Nachdem Francos Falangisten die linke Volksfrontregierung im Spanischen Bürgerkrieg besiegt hatten, flohen viele Soldaten der Republikaner nach Frankreich. 500 von ihnen, die irgendwie die Besatzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht und SS überlebt hatten, wurden nach Ende des 2. Weltkriegs von den Franzosen im Rahmen der Operation »Bolero-Paprika« in die DDR abgeschoben. Sie galten den Franzosen mittlerweile im Kalten Krieg als 5. Kolonne Moskaus.
In der DDR genossen sie einen gewissen Kultstatus als im Bürgerkrieg gegen die Faschisten erprobte aufrechte Kommunisten. Die Begeisterung der SED für die neuen Mitbürger flaute deutlich ab, als diese nicht bereit waren, den sozialistischen Sieg über den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 oder über den Ungarnaufstand 1956 zu bejubeln. Im Gegensatz zu den DDR-Bürgern durften die Spanier beliebig nach Westdeutschland reisen, wurden aber, seit 1957 Mielke an die Spitze der Stasi gerückt war, von der Stasi überwacht.
Für die meisten Kinder in der DDR war die erste Bekanntschaft mit Spanien das »Spanien-Kämpfer-Lied«: Spaniens Himmel breitet seine Sterne über unseren Schützengräben aus, das während der vormilitärischen Ausbildung gerne geschmettert wurde.
Diplomatische Beziehungen beider Länder
Nachdem Erich Honecker an die Macht gekommen war, nahm die DDR 1973 als erstes Land des Ostblocks diplomatische Beziehungen mit Spanien auf. Zu Ehren dieses Ereignisses druckte der VEB Altenburger Spielkartenfabrik extra ein Quartett mit Motiven aus dem spanischen Epos »Don Quijote« – mit 30-seitiger pädagogischer Anleitung!
Es war für beide Regierungen eine Win-Win Situation. Franco konnte darauf verweisen, dass sein Regime doch so fürchterlich nicht sein konnte, wenn es sogar von Kommunisten anerkannt wurde. Die DDR fand in Spanien endlich einen Handelspartner im Westen, für den alle Handelsrestriktionen zwischen der EU und den Staaten hinter dem Eisernen Vorhang nicht galten.
Die DDR Staatsgewerkschaft FDGB unterstützte die in Spanien verbotenen Comisiones Obreras CC.OO mit heimlichen Hilfslieferungen. Bereits 1975 wurde das ungewöhnliche Techtelmechtel jäh beendet. Die Sowjetunion hatte Druck auf die DDR ausgeübt – und die Bundesrepublik Deutschland auf Spanien, so dass die diplomatischen Beziehungen wieder abgebrochen wurden.
Auf konspirativen Wegen konnte die DDR Spanien doch noch für ihre Belange nutzen: Seit den 70er Jahren wusch die Stasi über ein geheimes Firmengeflecht Gelder auf den Kanarischen Inseln, die über die Schweiz transferiert wurden, um mit den West-Devisen ihre Auslandsspione bezahlen zu können. Mit Hilfe des früheren Nazis Ottokar Hermann sowie einiger westdeutscher Unternehmer wurden Hotels auf den Kanaren erworben. Die weit entfernten Inseln waren auch gut geeignet, damit ausgesuchte DDR-Bürger in Gruppen unter der Parole »Kaufkraftabschöpfung« Urlaub machen konnten, ohne von dort fliehen zu können.
Im rumänischen Donaudelta war eine Zellulosefabrik abgebrannt, die den ganzen Ostblock mit Klopapier belieferte. Die SED wollte sich vor der eigenen Bevölkerung keine Blöße geben und kaufte von ihren kostbaren Devisen Klopapier im Westen. Das gute dreilagige Papier in der EU war viel zu teuer. Das billige graue Schleifpapier, das in der DDR benutzt wurde, konnte nur in Spanien aufgetrieben werden. So rettete Spanien der DDR den Allerwertesten.
Honecker in Spanien
1988 wollte Honecker die Anerkennung der DDR in der Welt festigen durch einen offiziellen Staatsbesuch im mittlerweile demokratischen Spanien. Honecker wurde von König Juan Carlos I mit militärischen Ehren und einem Bankett empfangen. Die politischen Gespräche mit dem sozialistischen Regierungschef Felipe Gonzáles verliefen allerdings ernüchternd.
Immerhin versprachen sich die Spanier wertvolle sportliche Ratschläge, wie sie die Sommerspiele 1992 in Barcelona planen sollten. Die DDR hatte gerade bei den Sommerspielen in Seoul die zweitmeisten Medaillen abgeräumt. Aber zu einer vertieften Zusammenarbeit kam es nicht mehr, weil ein Jahr später in Berlin die Mauer fiel.
Für beide Länder gilt: Die Freiheit von einem totalitären Regime wurde ihnen nicht geschenkt, sondern musste vom Volk erzwungen werden. So haben sie vielleicht mehr gemeinsam als Ost- und Westdeutsche.
Von Wolfgang Zöllner
Verfasst am 13. November 2019Kommentare
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