Was bedeutet die Insolvenz von Thomas Cook für deutsche Touristen?
Überraschend hat der britische Reisekonzern Thomas Cook am 23. September Insolvenz angemeldet. Davon betroffen sind 150.000 britische Touristen, die dann nicht mehr aus ihren Ferienorten zurück fliegen könnten, aber auch 500.000 Kunden von Thomas Cook aus anderen Ländern, insbesondere 140.000 Reisende aus Deutschland. Neben Großbritannien ist Deutschland der wichtigste Absatzmarkt für Thomas Cook. 21.000 Angestellte von Thomas Cook könnten ihren Arbeitsplatz verlieren, darunter 9.000 in Großbritannien, aber auch viele Mitarbeiter vor Ort in den Reiseländern und bei den Tochterfirmen in Deutschland wie z.B. die Reiseveranstalter Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature .
Denn alle deutschen Töchter mit Ausnahme von Condor haben mittlerweile ebenfalls Insolvenz angemeldet und jeglichen Geschäftsbetrieb eingestellt. Dass auch sie einen beantragten Überbrückungskredit der Bundesregierung über 375 Millionen Euro erhalten, erscheint unwahrscheinlich. Dann stehen 600.000 gebuchte Reisen allein für Deutschland im Feuer, sowie 2000 Arbeitsplätze bei den deutschen Reisebüros.
Für die deutschen Urlauber bedeutet dies, dass dort keine neuen Reisen mehr gebucht werden können. Touristen, die sich derzeit noch im Pauschalurlaub befinden, werden teilweise von ihren Hotels bedrängt, die Hotelkosten ein zweites Mal zu bezahlen, da die Hotels von Thomas Cook von und seinen Töchtern seit zwei Monaten keine Zahlungen mehr erhalten haben. Mitarbeiter von Thomas Cook berichten, dass sie vor Ort sogar ihr eigenes Klopapier bezahlen müssen.
Allein bei Hotels an der Costa del Sol steht Thomas Cook mit 2 Millionen Pfund für unbezahlte Hotelrechnungen in der Kreide. Wer sich als Tourist dieser Forderung der Hotelbesitzer beugt, riskiert allerdings seinen Versicherungsschutz über seinen Reise-Versicherungsschein. Die Versicherungsleistungen werden für deutsche Kunden von der Zurich Versicherungsgruppe ausgezahlt.
Die Zurich Versicherung hat den betroffenen Hotels zugesagt, auf Basis der Buchungsinformationen und ohne Vorlage gesonderter Rechnungen 50 Prozent der ausstehenden Zahlungen zu begleichen. »Dies gilt ab sofort unter der Voraussetzung, dass Thomas-Cook-Reisende von diesen Hotels ab sofort weder zur individuellen Zahlung von Hotelrechnungen aufgefordert oder anderweitig genötigt werden«, sagte Zurich Sprecher Bernd Engelien.
Der Schaden für die Hotelbesitzer ist allerdings noch weit größer, weil für sie das gesamte Herbstgeschäft ins Wasser fällt. Denn die von Thomas Cook georderten Hotelbetten lassen sich so schnell nicht mit anderen Gästen belegen. Immerhin könnten kurz entschlossene Urlauber ein Schnäppchen machen, wenn sie in einem betroffenen Hotel kurzfristig einchecken. Das gilt auch für die One-Way Tickets der betroffenen Fluggesellschaften Condor, Tuifly und Eurowings.
Thomas Cook, Europas zweitgrößter Reisekonzern, kam schon das ganze Jahr nur mit Notkrediten der Royal Bank of Scotland und von Lloyds Bank über 900 Millionen Pfund über die Runden. Nun hatten die Banken die Verlängerung der Kredite verweigert, falls Thomas Cook nicht bis zum Abend des 22.September weitere 200 Millionen Pfund auftreibt. Die britische Regierung war nicht bereit, mit 200 Millionen Pfund der Firma mit Steuermitteln aus der Patsche zu helfen. Schon 2012 war der Reise-Konzern in eine Notlage geraten und sitzt seither auf einem hohen Schuldenberg. Hinzu kommt nun der Preiskampf in der Reisebranche, der Trend, dass sich die Urlauber im Internet selber die Reisen buchen, und das maue Geschäft wegen des drohenden Brexit. Auch der Verfall des britischen Pfundes wegen der ungeklärten Brexit-Situation machte Hotels, Flugzeuge und Veranstaltungen in den Euro-Ländern für Thomas Cook immer teurer.
Der Aktienkurs von Thomas Cook ist dieses Jahr um 98% eingebrochen auf aktuell 2 Cent. Damit hat die ganze Firma nur noch einen Börsenwert von 25 Millionen Pfund. Im Mai 2018 waren es noch 2,2 Milliarden Pfund! Zum Vergleich: Der Wettbewerber TUI ist an der Börse aktuell 5 Milliarden Pfund wert.
Thomas Cook, ein Baptistenprediger, brachte im Juli 1841 rund 500 Reisende per Bahn vom britischen Leicester zu einem Treffen nach Loughborough. Daher gilt Thomas Cook als Erfinder der Pauschalreise.
2006 hatte die Karstadt Tochter C&N Touristik, eine Zusammenschluss aus Neckermann Reisen und Condor Flugdienst auf Betreiben des unseligen Arcandor- (vormals Karstadt) Vorsitzenden Thomas Middelhoff die Mehrheit an den britischen Reisekonzern übernommen. Geschäftssitz von Thomas Cook ist weiterhin London.
Der chinesische Reisekonzern Fusan besitzt einen 18% Anteil an Thomas Cook. Eine türkische Reisefirma hat 8% erworben. Dieses Geld ist jetzt vollständig verloren.
Notfallplan für die Rückholung britischer Touristen
Unter dem Kennwort »Operation Matterhorn« hat die britische Regierung einen Notfallplan für die Rückholung britischer Touristen vorbereitet. Das ist die größte britische Rückholaktion in Friedenszeiten und könnte die Regierung 600 Millionen Pfund kosten. Schon bei der Insolvenz der britischen Fluglinie Monarch Air am 2. Oktober 2017 hatte die britische Regierung für den Rücktransport von 100.000 britischen Touristen gesorgt.
In Großbritannien sind die bezahlten Reisepreise der betroffenen Touristen über die ATOL Liste durch die britische Regierung abgesichert. Das gilt allerdings nicht, wenn jemand bei Thomas Cook nur den Flug gebucht hat. Und auch nicht für Reisende aus anderen Staaten, insbesondere aus Deutschland. Auf seiner Webseite teilt Condor mit, dass derzeit alle Flüge planmäßig stattfinden. Immerhin haben Urlauber, die mit Condor fliegen, bis Ende Oktober Gewissheit, dass sie noch mit Condor zurück nach Hause kommen. Allerdings ist unklar, ob Urlauber, die nicht direkt bei Condor gebucht haben, nicht noch einmal für ihren Flug zur Kasse gebeten werden. Condor hat bei der deutschen Bundesregierung einen Überbrückungskredit von 380 Millionen Euro erhalten. Der Kredit versetzt Condor in die Lage, sich nach einem neuen Investor umzusehen. Der US Finanzinvestor Indigo Partners zeigt Interesse. Sein Einstieg könnte daran scheitern, weil Condor in der EU seine Fluglizenz verlieren würde, wenn der Mehrheitseigner ein Investor von außerhalb der EU ist.
Condor verdient mit seinen 58 Flugzeugen bisher gutes Geld. Das könnte sich schnell ändern, wenn der Nachschub an Neubuchungen wegen der Insolvenz von Thomas Cook, Neckermann Reisen und Co ausbleibt. Condor hat in letzter Zeit seine Gewinne nicht mehr an die Thomas Cook Konzernzentrale in London überwiesen, sondern dem Konzern nur Darlehen gewährt. Das war nötig, weil das deutsche Luftfahrtbundesamt darauf achtet, dass Condor seine laufenden Rechnungen bezahlen kann um nicht die Fluglizenz zu verlieren. Jetzt wurde für Condor durch das Amtsgericht Frankfurt eine Insolvenz in einem »Schutzschirm-Verfahren« genehmigt, damit die Fluglinie nicht mehr in den Strudel der Thomas Cook Pleite hineingerissen werden kann
Die Wettbewerber von Thomas Cook, wie z.B. TUI, Alltours, LTUR, Meyers usw. haben ein Eigeninteresse, dass Condor überlebt. Denn sonst könnten Sie für ihre Pauschalreisen nur noch Flugzeuge von Eurowings mieten und wären dem Preisdiktat der Lufthansa ausgeliefert. Ryanair und Easyjet kommen für das Pauschalreisegeschäft kaum in Frage, da dort häufig Flüge ausfallen und weil die Reiseveranstalter Flugzeuge nur in der Hauptreisezeit buchen.
Renate Künast von den Grünen hat für die letzte Septemberwoche eine Sondersitzung des Deutschen Bundestags gefordert. Dort soll über die Ausweitung der gesetzlich vorgeschriebenen Reiseversicherung gesprochen werden, mit der Kunden von Pauschalreisen über einen Reise-Sicherungsschein abgesichert sind. Aktuell haftet jede deutsche Reiseversicherung nur bis zu einer Gesamtschadenshöhe von 110 Millionen Euro. Allerdings nur für Reisen, die aus mindestens zwei Reisebausteinen bestehen. Wer also nur den Flug gebucht hat, geht leer aus.
Die Rückerstattungsansprüche der Kunden der deutschen Töchter von Thomas Cook sind über die Zurich Versicherung abgesichert. Wegen der Deckelung der Gesamtansprüche auf 110 Millionen Euro, könnte das jedoch bedeuten, dass jeder Urlauber nur magere 166 Euro zurück erstattet bekommt. Neben dem Verlust der Urlaubsfreude in den bevorstehenden Herbstferien sind das keine guten Nachrichten für die betroffenen Reisenden.
Aktuelle Hinweise zur Situation findest du auf Englisch auf der Webseite von Thomas Cook.
Wegen Ansprüchen aus einem Sicherungsschein wendest du dich an den von der Zurich Insurance plc Niederlassung für Deutschland beauftragten Dienstleister KAERA AG, www.kaera-ag.de.
aktualisiert am 29. September 2019
Verfasst am 22. September 2019Kommentare
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