Geschichte von Andalusien

Andalusien Geschichte
Der berühmte Brunnen im Löwenhof der Alhambra ( Fotografiecor.nl / shutterstock.com )
Phönizier, Römer, Berber und Mauren, sie alle kamen einst nach Andalusien und noch heute findet man ihre Spuren im Süden Spaniens. Die Geschichte Andalusiens ist so spannend und abwechslungsreich wie die Region selbst. Von den ersten Besiedlungen weit vor Christi Geburt über die Rückeroberung Andalusiens von den Mauren durch die Katholischen Könige bis zur autonomen Region im heutigen demokratischen Königreich Spanien. Hier kannst du dich auf einen Streifzug durch die andalusische Historie begeben.

Andalusien – Geschichte zum Anfassen

Andalusien war bei vielen Völkern begehrt. Die gute Lage, das mediterrane Klima und der Reichtum der Natur, weckten Begehrlichkeiten. Und so fanden in der Geschichte Andalusiens viele Schlachten und Machtwechsel statt, die die Region ständig veränderten.

Von Tartessos bis in Mittelalter

Bereits 500 v. Chr. befand sich hier das antike Königreich Tartessos. Phönizische Siedlungen lassen sich für die östlichen Küstengebiete nachweisen, darunter Gades (das heutige Cádiz), die älteste Stadt Europas. Nach und nach übernahm Karthago die Vorherrschaft im südlichen Spanien. Die Punischen Kriege beendeten vorerst das friedliche Miteinander: Rom hatte Andalusien erobert. Mit den Römern kam Latein nach Spanien und prägt die Sprache bis heute. Das Zusammenleben der Spanier mit den Römern verlief friedlich. Wie die Römer dort das Leben genossen, kannst du in der sehr gut erhaltenen Ruinenstadt Baelo Claudia bei Tarifa nachempfinden. Viele gut erhaltene Römerstraßen werden heute noch zum Wandern benutzt wie z.B. die Vía Pecuaria von Cortes de la Frontera nach Estación de Cortes oder der Wanderpfad von Benaocaz nach Ubrique. Mit dem Niedergang des Römischen Reiches verlor Rom in Spanien an Einfluss. Vandalen und Westgoten konnten einfallen und hinterließen ebenfalls ihre Spuren.

Vom Mittelalter unter arabischer Herrschaft

Arabische Muslime aus dem marokkanischen Altlas-Gebirge kamen im frühen Mittelalter in das südliche Spanien. Befördert durch die Nähe der afrikanischen Küste – bei Tarifa an der Straße von Gibraltar liegen nur 14 km Seeweg zwischen den Kontinenten – waren es zunächst Berber, die sich in Spanien ansässig machten. Die aus dem heutige Marokko stammenden Mauren drangen im Jahr 711 in das christliche Spanien ein, angeführt von Tariq ibn-Ziyad, der dem Grafen von Melilla zu Hilfe kam bei seiner Fehde mit einem Adeligen auf dem spanischen Festland.

Nach den positiven Erfahrungen mit den Römern und den weniger erfreulichen mit den Westgoten waren die Spanier den neuen Eroberern gegenüber zumindest aufgeschlossen. Den Arabern hingegen muss Andalusien wie ein Paradies erschienen sein: Hier gab es Wasser in ausreichender Menge. Wie vor ihnen die Römer übten die Mauren eine Politik der Akzeptanz und Toleranz aus. Die Spanier wurden nicht zum muslimischen Glauben bekehrt und es herrschte ein pluralistisches Gesellschaftssystem.

Das Land blühte auf. Mehr noch als je zuvor. Der Weinbau wurde kultiviert, großartige Bauten entstanden und waren äußerer Ausdruck des erfolgreichen Handels. Seide, Leder, Gold und Silber, Gewürze und Parfum bescherten der Region sagenhaften Reichtum. Dazu entwickelte sich Andalusien als Zentrum für Kunst und Wissenschaft.

Die bereits im 8. Jahrhundert einsetzende Reconquista brachte das Land wieder unter christlichen Einfluss. Trotzdem dauerte es mehrere Jahrhunderte, bis die Christen die Mauren vom Festland verdrängen konnten. Der Zusatz »de la Frontera« bei vielen andalusischen Städtenamen erinnert an diese Epoche, in der die Grenze des christlichen Spanien immer weiter nach Süden verschoben wurde. Wenn du die wunderschöne Festung Castellar de La Frontera bei Algeciras besuchst, solltest du das kleine Hotel in der Festung aufsuchen und dir dort im Keller die Landkarte der Reconquista ansehen. Sie vermittelt einen guten Eindruck, wie die Grenze über Jahrhunderte immer wieder vor- und zurückverschoben wurde. 1236 verloren die Mauren Córdoba an den christlichen König Ferdinand III, 1248 fiel Sevilla. Granada als letzte Bastion maurischer Herrschaft wurde 1492 vom maurischen König Boabdil an den spanischen König Ferdinand von Aragon und seine Frau Isabella von Kastilien übergeben. Das war das Ende der 700-jährigen maurischen Herrschaft.

Der maurische Einfluss bis heute

Die Spuren der Mauren sind bis heute in ganz Andalusien zu finden. Nicht nur die bereits erwähnten Städte, allen voran Granada mit der Alhambra und Córdoba mit der Mezquita Kathedrale, sind Weltkulturerbestätten. Andalusien war seinerzeit die am weitesten entwickelte Region ganz Spaniens. Mit den Arabern kamen Kenntnisse über Geografie, Medizin, Mathematik und Astronomie ins Land. Wie in den muslimischen Ländern pflegten die Mauren auch in Andalusien die Kunst der Poesie. Dem Respekt der nachfolgenden Herrscher vor der kulturellen Leistung der Mauren ist es zu verdanken, dass die Spuren dieser Kultur erhalten blieben und in das christliche Andalusien integriert wurden.

Die Blütezeit des spanischen Weltreichs in Andalusien

1492 war nicht nur das Jahr der Kapitulation Granadas, sondern auch der Entdeckung Amerikas durch den Genueser Christoph Columbus im Auftrag der Allerkatholischsten Majestäten Ferdinand von Aragón und Isabella von Kastilien. Ein Jahr später eroberten die Osmanen das christliche Konstantinopel, das heutige Istanbul. Damit verschob sich das südeuropäische Handelszentrum weg von Konstantinopel und den mediterranen Kaufmannsrepubliken Genua und Venedig hin zu den andalusischen Städten am Atlantik. Da Christoph Kolumbus irrtümlich glaubte, den westlichen Seeweg nach Indien entdeckt zu haben, hoffte Spanien, der bis dahin dominierenden atlantischen Seemacht Portugal den asiatischen Gewürzhandel streitig machen zu können.

War Kolumbus noch von dem kleinen andalusischen Küstenort Palos de la Frontera bei Huelva in die Neue Welt gesegelt, so landeten die spanischen Galeonen ihre Gold- und Silberschätze aus Südamerika bald in Sevilla an, das über den Fluss Guadalquivir erreicht werden konnte. Der Torre del Oro am Ufer des Guadalquivir erinnert heute noch an diese glanzvolle Zeit Sevillas. Die Stadt war im 16. und 17. Jahrhundert das Seehandelszentrum Spaniens und der zentrale Verwaltungssitz für alle amerikanischen Angelegenheiten. In der ehemaligen Börse von Sevilla (Casa Lonja de Mercaderes) ist das Indienarchiv untergebracht, welches unbedingt einen Besuch lohnt. Amerigo Vespucci, nach dem Amerika benannt wurde, und Ferdinand Magellan, der erste Weltumsegler, planten und starteten in Sevilla ihre Seereisen. Die Leiche von Christoph Kolumbus wurde in Sevilla aufgebahrt, später nach Santo Domingo und Havanna überführt und schließlich 1898 in der Kathedrale von Sevilla in einem prunkvollen Sarg bestattet.

Im 16. und 17. Jahrhundert war Sevilla auch das kulturelle Zentrum Spaniens. Die Maler Murillo und Velázquez sind in Sevilla geboren und haben ihre Künstlerkarrieren dort gestartet. Im 16. Jahrhundert wurde mit dem Bau der Kathedrale von Sevilla begonnen, der drittgrößten Kirche der Welt.

Der Spanische Erbfolgekrieg, in dem die französischen Bourbonen und die österreichischen Habsburger um die spanische Königskrone stritten, endete damit, dass mit Philipp V., einem Enkel des französischen »Sonnenkönigs« Ludwig XIV. eine neue bourbonische Dynastie auf dem spanischen Thron installiert wurde, die bis heute in Spanien regiert. Dadurch verlor Sevilla im Jahr 1717 sein Handelsmonopol an Cádiz, denn Sevilla hatte die Habsburger unterstützt, Cádiz hingegen die Bourbonen. Zu der Entscheidung trug auch maßgeblich bei, dass der Fluss Guadalquivir immer mehr versandete, sodass die schweren Schiffe nicht mehr nach Sevilla gelangen konnten.

Dass Cádiz erst so spät zum Haupthafen für den Amerikahandel wurde, war vielleicht ganz gut. Denn 1587 zerstörten die Engländer unter Francis Drake die spanische Kriegsflotte im Hafen von Cádiz, sodass die spanische Armada erst ein Jahr später nach England auslaufen konnte. 1596 äscherten die Engländer unter Walter Raleigh die Stadt Cádiz und die dort ankernde spanische Flotte ein und zogen mit reicher Beute ab. Während des Englisch-Spanischen Krieges wurde Cádiz vergeblich von 1655 bis 1657 von den Engländern unter Admiral Robert Blake belagert.

Aufstand und Vertreibung der Mauren

Die Mauren waren in Andalusien 1492 zwar besiegt, aber nicht integriert.

Obwohl nach der Einnahme von Granada die Religionsfreiheit garantiert worden war, begann 1502 die Zwangsbekehrung der muslimischen Mauren durch die katholische Kirche, ausgelöst durch eine Erhebung der maurischen Bevölkerung Granadas im Jahr 1499. Die bekehrten Mauren wurden Mudéjares oder Morisken genannt. Viele von ihnen übten ihren alten Glauben weiter im Geheimen aus.

Der katholische Adelige Peter der Grausame ließ auf dem Gelände der Alhambra in Granada eine wuchtige Festung (Alcázar) bauen und von den zwangs-christianisierten Mauren mit maurischen Ornamenten, der sogenannten Mudéjar-Architektur verzieren. Die maurischen Handwerker nutzten aus, dass die christlichen Herrscher die arabische Schrift nicht lesen konnten und flochten in die Ornamente arabische Sprüche ein, wie z.B. "Allah ist groß".

Ein vom spanischen König Philippe im Jahre 1566 ausgestelltes Dekret wies die Morisken an, die spanische Sprache zu lernen, spanische Gewohnheiten anzunehmen und sich wie Spanier zu kleiden. Wer sich der Zwangsassimilierung widersetzte, wurde verfolgt oder deportiert.

1569 erhoben sich die Morisken in dem zwischen Granada und Almería gelegenen Alpujarras Gebirge gegen die spanische Unterdrückung. Nach der Niederschlagung des Aufstands wurden viele Morisken in Gebiete Kastiliens und Aragons umgesiedelt. Auch in der Serranía de Ronda, dem schwer zugänglichen Gebirgstal unterhalb der Stadt Ronda, kam es zu gewaltsamen Moriskenaufständen. Der Besuch von Weißen Dörfern mit unaussprechlichen Namen wie Alpandeire, Genalguacil, Farahan, Jubrique und Igualeja vermittelt dir einen Eindruck, wie sich der maurische Einfluss in dieser gottverlassenen Gegend gehalten hat. Besonders in Genalguacil – der Name bedeutet »Garten des Wesirs« – wüteten die Morisken im 16. Jahrhundert blutig und ihr Aufstand wurde ebenso blutig niedergeschlagen.

Zwischen 1609 und 1611 wurden die letzten 275.000 Morisken aus Spanien ausgewiesen. Viele siedelten sich in Nordafrika an und beeinflussten die Kultur von Marokko, Algerien und Tunesien durch ihre andalusischen Traditionen. Sie wurden weniger wegen ihrer Religion aus Spanien hinausgeworfen, sondern weil man sie als fünfte Kolonne des Osmanischen Reiches verdächtigte, welches die Handelswege im Mittelmeer unsicher machte.

Entlang der andalusischen Mittelmeerküste bauten die Christen Verteidigungstürme, von denen aus sie rechtzeitig nordafrikanische Piraten erkennen konnten. Sieben dieser gut erhaltenen Wehrtürme kannst du noch an der Costa del Sol zwischen Marbella und Estepona bestaunen.

Der Niedergang Spaniens und der Aufstieg Englands

Für die politischen Geschicke Spaniens wurde Andalusien ab Ende des 17. Jahrhunderts allmählich immer unwichtiger. Politische Entscheidungen und Verwaltungsfunktionen waren in Madrid konzentriert. Allerdings wurden einige Seeschlachten vor Andalusiens Küsten ausgetragen, die den Niedergang Spaniens beschleunigten.

Am 25. April 1607 fand während des Unabhängigkeitskriegs der Niederländer gegen Spanien eine Seeschlacht bei Gibraltar statt. Dabei vernichtete eine niederländische Flotte eine spanische Flotte, die in der Bucht von Algeciras vor Anker lag.

Nachdem am Ende des Dreißigjährigen Krieges die spanischen Habsburger die Vorherrschaft in Europa 1648 verloren hatten, kämpften Niederländer und Engländer in vier Seekriegen zwischen 1652 und 1784 um die Kontrolle der Meere. Diese Auseinandersetzungen wurden immer wieder von gemeinsamen Aktionen gegen Dritte unterbrochen. Eine dieser gemeinsamen Unternehmungen war im Spanischen Erbfolgekrieg die Eroberung Gibraltars am 4. August 1704 durch eine britisch-niederländische Flotte unter dem Kommando des niederländischen Prinzen Georg von Hessen und des britischen Admirals George Rooke. Die spanische Besatzung des Felsens wurde mittags während der Siesta überrascht. Die anschließende Belagerung Gibraltars durch Spanien blieb erfolglos. Im Vertrag von Utrecht wurde Gibraltar 1713 den Briten zugesprochen und ist seit 1830 britische Kronkolonie. Der Vertrag von Utrecht regelte auch, dass das Monopol am Sklavenhandel aus Afrika in die amerikanischen Kolonien von Spanien auf die Engländer überging.

1778 trat Spanien auf Seiten der Amerikaner in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer ein. Die Spanier hofften, dass die englischen Streitkräfte durch den Krieg in Amerika stark beansprucht sein würden und versuchten, das auszunutzen um Gibraltar von den Engländern zurück zu erobern, scheiterten aber. Denn die Engländer sprengten Kavernen in den Felsen und beschossen von dort mit Kanonen die anrückenden Spanier. Diese so genannten »Great Sieges« Tunnel sind heute eine Touristenattraktion, die du in Gibraltar besichtigen kannst.

Von der spanischen Verfassung von Cádiz bis zur Ersten Republik

Während der Französischen Revolution versuchten die bourbonischen Herrscher von Spanien den französischen Bourbonenkönig Ludwig XVI. zu schützen. Ludwig wurde dennoch 1793 hingerichtet. Die junge französische Republik erklärte Spanien daraufhin den Krieg. In mehreren Friedensschlüssen wurde Spanien gezwungen, an die Seite Napoleons gegen Großbritannien in den Krieg zu ziehen. In der Seeschlacht von Trafalgar erlitt die vereinigte französisch-spanische Flotte am 21. Oktober 1805 eine vernichtende Niederlage gegen die Engländer unter Lord Nelson.

Anfang 1808 besetzten französische Truppen Spanien. Der mit den Franzosen verbündete spanische König Karl VI. wollte sich nach Cádiz in Sicherheit bringen, wurde jedoch in Aranjuez von einer aufgebrachten Volksmenge zur Abdankung gezwungen. Kurz darauf musste auch sein Sohn, Ferdinand VII. auf die Krone verzichten. Joseph Bonaparte, der älteste Bruder Napoleons, wurde von den Franzosen zum König von Spanien ernannt. Es kam zu Volksaufständen und einem Guerillakrieg gegen die napoleonischen Besatzer. 1809 überrannten die Franzosen Andalusien und belagerten von 1810 bis 1812 die Festung Cádiz, die durch Reste der spanischen Armee sowie durch englische Truppen und Kriegsschiffe verteidigt wurde. Die spanische Regierung, die sich nach Cádiz in Sicherheit gebracht hatte, wurde 1810 durch die "Cortes" abgelöst, das erste frei gewählte Parlament Spaniens. Dieses erarbeitete eine Verfassung, die am 19. März 1812 verkündet wurde.

Diese Verfassung sah unter anderem das Verbot der Folter und der adeligen Familienstiftungen vor. Klöster mit weniger als 12 Nonnen oder Mönchen durften aufgelöst werden, die Inquisition wurde abgeschafft.

Unterdessen hatten sich die meisten spanischen Kolonien in Südamerika zu unabhängigen Republiken erklärt und sich Verfassungen gegeben, die der Verfassung von Cádiz ähnelten.

Wegen der Niederlage im Russlandfeldzug musste Napoleon 1813 seine Truppen in Spanien ausdünnen. Von Portugal aus jagten die englischen Truppen unter dem Herzog von Wellington die Franzosen aus Spanien hinaus. 1814 musste Napoleon kapitulieren. Bereits 1813 dankte Joseph Bonaparte ab und übergab die spanische Krone wieder an Ferdinand VII. Dieser erklärte 1814 die gesamte Verfassung von Cádiz für von vorneherein ungültig.

Nach Volksaufständen musste Ferdinand im März 1820 die Verfassung von Cádiz wieder in Kraft setzen. Die nach Napoleons Niederlage in der »Heiligen Allianz« zusammengeschlossenen reaktionären absolutistischen Reiche beauftragten daraufhin Frankreich damit, in Spanien wieder das alte Recht herzustellen. Die Franzosen marschierten im April 1823 in Spanien ein und führten unter Ferdinand VII. die absolutistische Herrschaft wieder ein. Die Verfassung von Cádiz und alle Anordnungen, Gesetze und Regelungen der Regierung seit dem 7. März 1820 wurden annulliert.

Da Ferdinand keinen männlichen Nachfolger hatte, änderte er 1830 das spanische Erbfolgerecht. Als er 1833 starb, sollte seine dreijährige Tochter Isabella den Thron erben. Dagegen erhob sich Ferdinands Bruder Carlos. Es kam zu den Carlistenkriegen, die bis 1875 Spanien verwüsteten. Danach wurde in Madrid die Erste Republik ausgerufen, die aber nach vier Monaten wieder am Ende war. Sie scheiterte u.a. an der Frage, ob Spanien in Zukunft zentralistisch oder als Föderation regiert werden sollte.

1844 wurde in Ronda die paramilitärische Polizeieinheit Guardia Civil gegründet und von den Großgrundbesitzern gegen aufständische Landarbeiter eingesetzt. Andalusien wurde immer mehr zum Armenhaus Europas.

Blas Infante – der Vater Andalusiens

Blasilio Infante Pérez wurde am 5. Juli 1885 in Casares, einem prächtigen Bergdorf in der Provinz Málaga, geboren. Infante war Notar und erlangte in Andalusien große Bekanntheit als politischer Denker. In der Präambel zum andalusischen Autonomiestatut von 1983 wird er »Vater der andalusischen Heimat« genannt und als Vorkämpfer für ein Autonomiestatut gewürdigt. Er war ein Sozialrevolutionär, der auf die Privilegien seiner Klasse verzichtete und gegen den politischen Mainstream agierte.

Spanien, das einstige Imperium, hatte 1898 im Spanisch-Amerikanischen Krieg seine letzten überseeischen Kolonien verloren und befand sich in einer politischen und sozialen Krise. Die Intellektuellen im Norden, unter ihnen José Ortega y Gasset und Manuel de Falla, wollten sich mehr an Europa orientieren und empfanden die Andalusier als faul und rückständig. Im Süden neigte man dazu, dass Spanien seine Probleme von innen heraus lösen und dabei seine Mittlerstellung zwischen Afrika und Europa beachten müsse. Europa wurde als rational, gefühlskalt, mechanistisch und utilitaristisch verdammt.

Andalusien war besonders geprägt von Großgrundbesitzern, die ihr Land zu Spekulationszwecken ungenutzt ließen und den landlosen Tagelöhnern verboten, dort für sich etwas anzubauen. Infante kämpfte für eine Landreform in Andalusien, das angesichts der Oktoberrevolution in Russland kurz davor stand, zum »Russland des Südens« zu werden. 1868 hatte der italienische Anarchist Guiseppe Fenelli Spanien bereist und dort die anarchistischen Ideen des Russen Bakunin verbreitet, sodass später der russische Leninismus in Spanien nicht so recht zur Entfaltung kam.

1911 gründeten die Anarchosyndikalisten in Sevilla den Gewerkschaftsbund Confederacion Nacional del Trabajo (C. N. T.). Noch im Februar 2016 wurden zwei Puppenspieler ins Gefängnis gesteckt, weil sie in ihren Vorführungen während des Madrider Karnevals anarchistisches Gedankengut zum Besten gegeben hatten. Gegen die Verhaftung protestierte eine Menschenmenge mit dem Slogan Je suis titiritero (Ich bin Puppenspieler). Die spanische Protestpartei Podemos hat starke anarchistische Wurzeln. Noch heute sind die ländlichen Gebiete Andalusiens Mehrheitsbeschaffer für die Sozialistische Partei Spaniens.

Nachdem er 1909 in Sevilla der Rede eines katalanischen Separatisten gelauscht hatte, war Infante überzeugt, er müsse sich für eine andalusische Identität starkmachen, die den Geist des maurischen Granada ausstrahlen sollte. Objektiv bestand dafür keine Veranlassung, denn es gab weder eine eigene andalusische Sprache noch Kultur oder Ethnie (die Mauren waren ja vor 300 Jahren vertrieben worden). Infante entwarf ein Autonomiestatut für Andalusien, das 1936 veröffentlicht werden sollte. Dazu kam es jedoch nicht, weil Blas Infante kurz zuvor in Sevilla von den Nationalisten in Sevilla gefangen genommen und am 11. August 1936 ermordet wurde.

Vom 1. Weltkrieg bis zum Tod Francos

Die spanische Gesellschaft war tief gespalten zwischen Sympathie für Deutschland oder für Frankreich und Amerika. Die Waffen der spanischen Armee waren veraltet und die Truppen durch die Kolonialkriege gegen Marokko demoralisiert. Daher blieb Spanien im 1. Weltkrieg neutral. Das führte zu etwas Wohlstand, da Spanien alle Kriegsparteien mit Rohstoffen und Lebensmitteln belieferte. Die Arbeiter und Bauern in Andalusien spürten davon nichts und radikalisierten sich weiter.

Nach der verheerenden Niederlage der spanischen Armee gegen die Rif-Kabylen im marokkanischen Atlasgebirge putschte General Primo de Riviera sich 1923 an die Macht und errichtete eine Militärdiktatur. Er verbündete sich mit Frankreich und zusammen vernichteten sie die Rif-Kabylen mithilfe deutscher Chemiewaffen.

Primo de Rivera wurde 1930 durch massive Streiks gestürzt. General Berenguer führte das Militärregime weiter und versuchte den Zerfall der Monarchie zu stoppen. Wegen der anhaltenden Unzufriedenheit der Bevölkerung ließ er Wahlen abhalten. Der Wahlsieg der Republikaner 1931 führte zur Gründung der 2. Republik. König Alfons XIII. ging ins Exil. Die 2. Republik scheiterte vor allem am Streit um eine Agrarreform. Das Klima im Land polarisierte sich zusehends. Bei den Wahlen 1936 siegte die Volksfront, ein Bündnis der Linksparteien. Streiks und politische Morde waren nun an der Tagesordnung. Der radikale Reformkurs der Volksfrontregierung stieß auf erbitterten Widerstand der Rechten und der katholischen Kirche.

Ein Militärputsch unter General Francisco Franco in Spanisch-Marokko und die Ermordung des konservativen Abgeordneten Calvo Soleto lösten 1936 den Spanischen Bürgerkrieg aus. Andalusien wurde zum Aufmarschgebiet der Nationalen unter Franco, die von Hitler-Deutschland unterstützt wurden. Spanien wurde zum Testgebiet für moderne Waffen und Kriegstechniken. Auf der konservativen Seite die Sturzkampfbomber der deutschen Legion Condor sowie Truppen und Panzer des faschistischen Italien; später auf Seiten der linken Republikaner Panzer und Flugzeuge der stalinistischen Sowjetunion.

Für den Kriegsverlauf typisch war die Schlacht um Málaga. Am 17. Januar 1937 landeten italienische Truppen im bereits von Franco gehaltenen Cádiz. Sie rückten mit ihren Panzern schnell auf Ronda vor und weiter bis Málaga. Die mit 40.000 Soldaten numerisch überlegenen Republikaner waren auf Panzer nicht vorbereitet und flohen am 8. Februar zusammen mit 150.000 Zivilisten aus der Stadt auf der Küstenstraße in Richtung Almeria. Dort wurden sie drei Tage lang von Messerschmidt Bf 109 Kampfflugzeugen der Legion Condor sowie von Kriegsschiffen der konservativen Allianz, darunter auch das deutsche Kriegsschiff Admiral Graf Spee, unter Feuer genommen. Unter den in Málaga zurückgebliebenen Anhängern der Republikaner richteten die Truppen Francos ein Gemetzel an. Wegen der Niederlage musste auf Druck der Kommunisten der republikanische Kriegs-Unterstaatssekretär zurücktreten. Er wurde durch den Herausgeber der Zeitung Claridad ersetzt. In den Bergen zwischen Algeciras und Tarifa konnten sich linke Guerilla-Truppen noch lange halten. An sie erinnert eine beliebte Wanderroute am Fluß Róo de la Miel.

Nach einem dreijährigen Bürgerkrieg, der mehr als eine halbe Million Menschen das Leben kostete, mussten sich die Republikaner geschlagen geben. Zurück blieb ein tief gespaltenes Land. Die tiefe Abneigung zwischen den konservativen Anhängern Francos und den Anhängern der linken Republik bestimmt noch heute das Wahlverhalten der spanischen Bevölkerung.

Am 23. Oktober 1940 traf Hitler Franco bei Hendaye an der französisch-spanischen Grenze, um Spanien als Alliierten im 2. Weltkrieg zu gewinnen. Franco lehnte ab, da er fürchtete, dass im Falle eines spanischen Kriegseintritts die Kanarischen Inseln, die Balearen und die spanischen Küstenregionen leicht durch die überlegenen britischen Streitkräfte eingenommen werden könnten. Andererseits sympathisierten viele Spanier mit dem NS-Regime und zogen als Freiwillige unter dem Namen »Blaue Division« zwischen 1941 und 1943 an die Ostfront.

Bis zu seinem Tod am 20. November 1975 hielt Franco die Zügel der Macht fest in seinen Händen. Da Spanien von der demokratischen Staatengemeinschaft in Europa isoliert war, nahm es nicht am wirtschaftlichen Aufschwung teil. Insbesondere viele Andalusier zogen als Gastarbeiter nach Deutschland, woran z.B. im Bergdorf Montejaque die »Avenida de Knittlingen« erinnert. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts hatten viele Einwohner Arbeit in der württembergischen Kleinstadt Knittlingen gefunden.

Im Jahr 1966 stieß im Luftraum über Palomares bei Almería ein US-Tankflugzeug mit einem US Langstreckenbomber zusammen und stürzte mit vier Wasserstoffbomben mit der 5000-fachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe ab. Beim Aufprall explodierten zwei der Bomben nicht, sondern verstreuten 20 kg Plutonium rings um Palomares. Eine Bombe versank im Meer und wurde nach 80 Tagen gefunden. Die vierte Bombe fiel in ein Flussbett und blieb unversehrt. Die Regierung Franco verhängte eine Nachrichtensperre. Das Dorf wurde nicht evakuiert, sondern dient bis heute als Versuchslabor für eine Langzeitstudie über die Folgen atomarer Verseuchung. 25 qkm kontaminierter Erde müssten abgetragen werden. Dafür gibt es aber in Spanien kein Endlager.

Nach Francos Tod wurde unter seinem Nachfolger, dem aus dem Exil geholten Bourbonen-König Juan Carlos I., schrittweise die Demokratie in Spanien eingeführt.

Die demokratische Entwicklung nach der Franco Diktatur

Die demokratische Entwicklung Spaniens nach Francos Tod vollzog sich ohne Impulse aus Andalusien, wenn man mal davon absieht, dass in der Zeit der konservativen Regierungen der ehemalige sozialistische Präsident Andalusiens Manuel Chaves die sozialistische Politik in Madrid aus dem Hintergrund lenkte. Chávez sowie sein Vorgänger Grinand sind im Jahr 2016 immer noch Beschuldigte im ERE-Skandal, bei dem es um die Veruntreuung von mehr als 1 Milliarde Euro geht, welche die EU Andalusien für Qualifizierungsprogramme von Arbeitslosen zur Verfügung gestellt hatte. Das hat die Andalusier nicht abgehalten, 2015 mit Susana Díaz wieder eine sozialistische Politikerin zum Präsidenten Andalusiens zu wählen.

Die sozialistische Regierung von Felipe González hatte den autonomen Regionen im Jahr 1983 mehr Kompetenzen eingeräumt. Daraufhin erließ Andalusien ein Autonomiestatut, das auch die Verbindungen Andalusiens zur EU regelt, mit einer eigenen andalusischen Landesvertretung in Brüssel. Spanien war 1985 der EU beigetreten. Die andalusische Vertretung scheint gute Arbeit geleistet zu haben, denn viele EU-Mittel gingen nach Andalusien. Kein Dorf, in dem nicht eine blaue Tafel die EU Mittel für lokale Projekte auflistet. Manchmal ist die Tafel aber auch das Einzige, was von dem Projekt zu sehen ist. Aus EU-Mitteln erhielt Andalusien viele Autobahnen und AVE Hochgeschwindigkeitsstrecken, die zumindest den Tourismus ankurbelten.

Tourismus ist die einzige nennenswerte »Industrie« in Andalusien. 1991 trat Spanien dem Schengen-Abkommen bei. Jedes Jahr berauschen sich andalusische Politiker an den Wachstumszahlen im Tourismussektor. Das Wachstum stammt weniger aus eigenen Anstrengungen, sondern von der immer scheinenden Sonne und der instabilen Lage in Griechenland, der Türkei und den nordafrikanischen Staaten. Im Gegensatz zu den Kanaren oder den Pyrenäen verzichtet Andalusien weitestgehend auf Ökotourismus. Stattdessen werden die Küsten weiter zubetoniert und Golfplätze gebaut, die die knappen Wasserreserven absaugen. Während Solarenergie in Deutschland eine große Rolle spielt, sieht man im sonnenreichen Andalusien kaum etwas davon.

Die Landwirtschaft ist die eigentliche ökonomische Basis Andalusiens. Olivenöl, Orangen, Avocados und Kakis werden in die EU exportiert. Auch die blassen Erdbeeren aus der Provinz Huelva, die ab Februar deutsche Supermärkte überschwemmen. Gut, dass die deutschen Konsumenten die petrochemische Industrie nicht sehen, neben der die Erdbeeren in Huelva angebaut werden.

Seit 2015 gibt es Bestrebungen der koreanischen Container-Reederei Hanjin, Algeciras zu ihrem Hafen in Europa auszubauen. Auch die Chinesen und Nordamerikaner investieren jetzt mehr in Andalusien. Allerdings ist auch viel Geldwäsche im Spiel. Z.B. hat die Russenmafia in Casares 2009 bei der Entwicklung der Finca Cortesín 250 Millionen Euro gewaschen.

Seit 1953 betreibt Spanien zusammen mit den USA den Flotten- und Luftwaffenstützpunkt Rota in der Nähe von Cádiz. Von Rota aus wird der Schiffsverkehr in der Straße von Gibraltar überwacht. Heute ist das ein NATO-Stützpunkt, von dem aus z.B. 2011 die Angriffe auf Libyen geflogen wurden. Im Juni 1988 scheiterte ein Anschlag der deutschen Terrorgruppe RAF auf den Militärstützpunkt. In Rota ist der spanische Flugzeugträger »Príncipe de Asturias« stationiert. Rota ist das Rückgrat der 6. Flotte der USA im Mittelmeer. Rota ist Teil des weltweiten US-Abhörsystems Echelon. In Rota wurden 2014 vier US-Spezialschiffe stationiert, die mit dem amerikanischen Aegis-System ausgerüstet sind und einen wichtigen Beitrag zum US-Raketenabwehrschild in Europa leisten. Eine weitere Einheit des Raketenabwehrschirms steht auf dem Luftwaffenstützpunkt Morón bei Sevilla. Die Landebahn in Morón ist so lang, dass sie als Ausweichlandeplatz für das amerikanische Spaceshuttle Programm genutzt wurde. Durch die Raketenabwehr würde Andalusien zu einem bevorzugten Angriffsziel der Russen, falls es zu einem Atomkrieg käme.

Ob Andalusien glücklich damit ist, dass es so wieder weltpolitische Bedeutung erlangt hat?

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